Es wird vielerorts vertreten, ein Prozeßbetrug im Erststaat habe grundsätzlich zur Folge, daß die erschlichene Entscheidung im Zweitstaat wegen Verstoßes gegen den ordre public nicht anerkannt bzw. nicht für vollstreckbar erklärt wird.
Fast ebenso verbreitet ist allerdings die Ansicht, daß das Anerkennungshindernis Prozeßbetrug unter bestimmten Umständen im Zweitstaat nicht zur Verfügung steht.
Die Beschränkung der Möglichkeit, sich im Zweitstaat auf einen Prozeßbetrug zu berufen, der (angeblich) im Erststaat stattgefunden hat, wird hier als »Präklusion« bezeichnet.
Zu der Frage, in welchen Konstellationen eine (angeblich) betrogene Partei im Zweitstaat mit dem Einwand des Prozeßbetrugs präkludiert ist, werden im Grundsatz sieben verschiedene Ansichten vertreten, die hier in Ansätzen vorgestellt werden sollen.
Die Präklusionsmodelle vom Typ 1 sehen vor, daß die Gerichte im Zweitstaat an die Tatsachenfeststellungen gebunden sind, die im Ersturteil getroffen wurden.
Präkludiert ist also jeglicher Vortrag, der mit den Tatsachenfeststellungen des Ersturteils im Widerspruch steht.
Die Präklusionsmodelle vom Typ 2 lassen im Zweitstaat genau denjenigen Vortrag zu, der bereits im Erstverfahren vorgebracht wurde.
Präkludiert ist also der im Erststaat unterlassene Vortrag (unabhängig von der Frage, ob im Erststaat eine Vortragsmöglichkeit bestanden hätte).
Die Präklusionsmodelle vom Typ 3 verbieten es einer (angeblich) betrogenen Partei, sich im Zweitstaat auf Prozeßbetrug zu berufen, wenn sie im Erststaat die Möglichkeit gehabt hätte, Rechtsbehelfe einzulegen, von dieser Möglichkeit aber keinen Gebrauch gemacht hat.
Präkludiert ist demnach der im Erststaat »verschlafene« Vortrag, d. h. der im Erststaat trotz Vortragsmöglichkeit nicht vorgebrachte Vortrag.
Nicht präkludiert ist hingegen derjenige Vortrag, den die (angeblich) betrogene Partei im Erststaat erfolglos vorgebracht hat.
Die Präklusionsmodelle vom Typ 4 schneiden einer (angeblich) betrogenen Partei – ebenso wie die Präklusionsmodelle vom Typ 3 – den im Erststaat »verschlafenen« Vortrag ab; im Zweitstaat darf also nicht vorgetragen werden, was im Erstverfahren nicht vorgetragen wurde, obwohl dort eine Vortragsmöglichkeit bestanden hätte.
Zusätzlich wird einer (angeblich) betrogenen Partei aber auch derjenige Vortrag im Zweitstaat untersagt, den sie bereits im Erststaat erfolglos vorgebracht hat.
In zwei Entscheidungen von 1999 und 2004 vertritt der BGH ein solches Präklusionsmodell, ergänzt durch die folgende Abwandlung: Dem Beklagten sei es freigestellt, »sich im Ausland überhaupt einzulassen.« Verzichte ein Beklagter auf jegliche Einlassung im Erststaat, werde ihm im Zweitstaat »der Betrugseinwand [...] nicht abgeschnitten«.
Die Präklusionsgegner lehnen jegliche Präklusion im Zweitstaat ab. Nach dieser Ansicht ist es unerheblich, ob sich eine (angeblich) betrogene Partei im Erststaat hätte verteidigen können und inwieweit sie von ihren Möglichkeiten Gebrauch gemacht hat.
Die Präklusionsmodelle vom Typ 5 machen die Präklusionsfrage von einer Ermessensentscheidung des Richters im Zweitstaat abhängig.
Die Präklusionsmodelle vom Typ 6 lassen den Prozeßbetrugseinwand im Zweitstaat dann nicht zu, wenn der (angeblich) betrogenen Partei im Erststaat ausreichende Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen bzw. standen, um sich gegen den behaupteten Prozeßbetrug zur Wehr zu setzen.
Dieser Meinungsstand ist – nicht nur für Herrn Schulze – ziemlich verwirrend.
Je nachdem, welches Präklusionsmodell die deutschen Gerichte vertreten, werden Herrn Schulzes »Beweisfotos« unter unterschiedlichen Voraussetzungen im Verfahren der Vollstreckbarerklärung berücksichtigt:
Nach den Präklusionsmodellen vom Typ 1 werden Herrn Schulzes Fotos nur dann berücksichtigt, wenn sich kein Widerspruch mit den Feststellungen des französischen Gerichts ergibt.
Nach den Präklusionsmodellen vom Typ 2 werden Herrn Schulzes Fotos genau dann berücksichtigt, wenn Herr Schulze die Fotos bereits in dem Verfahren in Frankreich präsentiert hat (auch wenn er dort auf die Einlegung von Rechtsbehelfen verzichtet hat).
Nach den Präklusionsmodellen vom Typ 3 werden Herrn Schulzes Fotos nur dann berücksichtigt, wenn Herr Schulze alle zumutbaren Rechtsbehelfsmöglichkeiten in Frankreich ausgenutzt hat (aber es macht nichts, wenn er sich dabei schon erfolglos auf die Fotos berufen hat).
Nach den Präklusionsmodellen vom Typ 4 werden Herrn Schulzes Fotos nur dann berücksichtigt, wenn Herr Schulze alle zumutbaren Rechtsbehelfsmöglichkeiten in Frankreich ausgenutzt hat und er sich in Frankreich nicht bereits erfolglos auf die Fotos berufen hat.
Nach dem Modell der Präklusionsgegner hat Herr Schulze gute Karten: Er wird mit dem Prozeßbetrugseinwand in jedem Fall gehört, unabhängig von seiner Prozeßführung in Frankreich.
Nach den Präklusionsmodellen vom Typ 5 werden Herrn Schulzes Fotos in Deutschland berücksichtigt, falls die deutschen Richter eine Ermessensentscheidung zu seinen Gunsten fällen.
Nach den Präklusionsmodellen vom Typ 6 kommt es abstrakt darauf an, ob in Frankreich im Fall eines Prozeßbetrugs ausreichende Rechtsbehelfe vorgesehen sind.
Zur Frage der »Präklusion« werden zahlreiche unterschiedliche Ansichten vertreten. In Literatur und Rechtsprechung ist bisher vielerorts noch nicht erkannt worden, daß der Meinungsstand derart vielfältig ist.
Im folgenden wird es um die Interessen gehen, denen die verschiedenen Präklusionsmodelle im unterschiedlichen Maße gerecht werden.